Das Erreichen der Harmonie wäre das Ende der Schönheit – Chaostheorie und Musik

ich bin ja nach einer gewissen Zwangspause wieder zurück im Studio, schreibe Lieder und wir versuchen sie mit der Band umzusetzen. Ich war da noch nie ein Freund fest gefügter Strukturen. So funktioniert Musik meiner Meinung nach nicht. Gute Musik ist dafür da, Inseln der Ordnung im Chaos zu schaffen oder auch nur eine Idee der Ordnung zu zeigen. Es gibt ja die Harmonie. Harmonie ist eine eigenartige Sache, sie existiert auch außerhalb der Musik und sie existiert auch außerhalb der menschlichen Erfahrung. Wär das nicht so, hätten wir z.B. ein echtes Lärmproblem mit den Gesängen der Vögel. Vogelgezwitscher hält sich peinlich an die Harmoniefolgen, nur Warnsignale sind unharmonisch und nerven uns ja dann auch. Harmonie scheint also eine a priori festgelegte Form der Ordnung zu sein, die auch ein Musiker nie erreicht, sondern nur versuchen kann zu erreichen (wenn das überhaupt wünschenswert ist).

Alle Instrumente, die uns zur Verfügung stehen, erzeugen nichtlineare, chaotische Töne. Egal, ob Stimme, Saiten oder schwingende Körper. Auch ein elektronisches Signal ist niemals linear. Vor allem, wenn man, wie ich, ein Saiteninstrument (also meine Gitarre) noch durch ein Röhrenverstärker verstärkt, hat man ein durch und durch chaotisches Signal. Die Kunst ist nun (und das ist eine Kunst) dieses Signal zu einem, zu einem für den Zuhörer nachvollziehbaren Platz der Ordnung umzuwandeln. Wahre Ordnung entsteht so nie und ist auch nicht wünschenswert.

Schaut man sich außergewöhnlich Stimmen an, z.B. Billie Holiday, merkt man, dass die keineswegs idealtypisch sind, sondern eher „falsch“. Sie geben uns also einen Eindruck der Ordnung, sie zeigen auf die Ordnung, und wenn sie gut sind auf eine Art, die wir als Zuhörer verstehen können. Musik zeigt also eher, wie wir mit dem Chaos umgehen sollen, als dass es Harmonie erreicht. Trotzdem ist die Harmonie, aber das, was man anstreben muss, wohl wissend, dass sie niemals zu erreichen ist und dass das Erreichen auch nicht gewünscht sein kann.

Das Erreichen der Harmonie wäre das Ende der Schönheit.

Vielleicht sollt man sich ja mal besinnen um was es wirklich geht.

Und da meine ich nicht nur mich selbst. Wäre heute so ein Festival, mit dieser Energie und diesem Aufbruch würden auch die Festivals nicht sterben müssen. Ich habe nichts gegen die alten Heroen, ganz im Gegenteil, ich schätze gerade an der Rock’n’Roll Szene im allgemeinen, dass sie ihre Leute ehrt. Aber es ist wie im richtigen Leben, man muss die Geschichte kennen (hilft auch gegen Krieg) um die Zukunft zu gestalten. Wenn wir heute beim Psychobilly Meeting anfragen, ob wir spielen dürfen(sic) wird uns gesagt, wir wären nicht Psychobilly genug. Stimmt, sehe ich auch so. Ich auch bin ein Verteidiger der reinen Lehre. Aber da nachdem nichts mehr kam, stehen wir für das Neue für den Aufbruch. So wie es jetzt ist wird es einfach untergehen. schon mal allein deswegen weil die meisten Bühnen nicht rollatortauglich sind.

Was ich am Internet und vorallem an der Föderation am meisten schätze

ist, dass ich so viel Kontakt zu Menschen bekomme, die ich so einfach niemals treffen würde. Es ist schön, wie offen und freundlich die meisten sind. Wir könnten den Völkerhass überwinden, wenn wir als einfache Menschen verbünden. Wahb Allat (zumindest heißt er so im Internet) hat mir gestern viele aktuelle arabische Musik geschickt. Aus Nordafrika, Libanon und aus Saudi-Arabien, wo er herkommt. Musik ist Liebe – gegen euren Hass! Reden erst die Menschen selber – werden sie schnell einig sein!

Reverend Elvis worldwide crew (de)

Ich hoffe sehr, dass wir dieses Jahr wieder auf Vinyl releasen können. Leider ist das im Moment so teuer, dass man Preise verlangen müsste, die dann irgendwie nicht mehr „underground“ sind. Mal sehen. So lang wird wohl Streaming eine Rolle spielen. Hat immerhin den Vorteil, dass das auch Menschen hören können, die sich so und so keine Vinylplatte aus Europa leisten könnten und wollten.

Ich freue mich besonders, dass 2022 auch in Afrika paar Zuhörer dazu gekommen sind. Sonst ist mit Abstand Deutschland und die USA unser Zentrum. Seit ein paar Jahren ist Kolumbien eigentlich fast gleichauf. Es muss da eine große Szene geben, zu der wir aber keinen Kontakt haben. Sonst sind alle Kontinente vertreten. Ein gutes Gefühl.

Sonst ist neu, dass in China offensichtlich vermehrt „westliche“ Streamingdienste benutzt werden. Wir sind da ohnehin bei den China internen Diensten vertreten.

Insgesamt ist es wie immer, wir haben nicht viele Fans dafür gute! Wir achten auf Qualität! 🙂