Re – Vorsilbe aus dem Lateinischen für entgegen, wider, zurück

Es wird zum Beispiel verwendet in REform. Was bedeutet, etwas wieder in einen idealisierten Urzustand zubringen. Oder in REaktionär, was bedeutet aktiv gegen das Neue anzukämpfen. Oder in RE:publica. Was ein westalgisches Treffenikst das den Geist von Peter Lustig gern ins digitale Zeitalter bringen will, aber nicht genau weiß, wo das ist. Angesprochen werden soll, nach eigener Auskunft, die Generation XYZ. Wobei nicht klar ist, ob die Teilnehmer schon so weit im Alphabet vorgedrungen sind.

Schöne „Talks“ wie das nationalistische Überschätzungspanel „Offene Infrastrukturen für alle […] eine Erfolgsgeschichte aus Deutschland“ oder „Krieg und Kohle – Putin und Trump als Gamechanger im Netzzeitalter“ zeigten, dass man auch Visionen haben kann, wenn man in der Vergangenheit lebt und Angst hat. Wie gefährlich ist das?

Meinung und Wahrheit

Was mich immer total aufregt, auch bei mir selbst, ist das Falschbenutzen der Wörter. Man kann das überall beobachten. Es sind nicht nur die propagandistischen Verdrehungen und orwelistischen Umwidmungen, die einem Sorgen bereiten. Sondern sehr oft sind es einfach die Nachlässigkeiten, die man begeht, um selbst, vielleicht ganz menschlich, ein wenig besser dazustehen.

Das sind aber keineswegs einfach nur Kavalleriedelikte. Sondern Sprache ist sehr mächtig und ökonomisch – sie bildet reale Dinge ab.

Etwas das extrem auffällt, ist die Falschbenutzung und Vermischung von Meinung und Wahrheit. Jeder kennt das, man veröffentlicht eine Meinung und es dauert keine 10 Minuten bis jemand eine Gegenmeinung dazu hat. Das ist eigentlich schön und gute dialektische Praxis. Man könnte ja durch Argument (These) und Gegenargument (Antithese) zu einer neuen Erkenntnis (Synthese) gelangen und was lernen. Den anderen und sich selbst besser verstehen.

Wie wir alle wissen, gibt es so was im Internet nur alle 2,8 Millionen Jahre. Ein Grund dafür ist die Falschbenutzung der Worte. Meinung vor allem und ausschließlich die eigene wird gleich gesetzt mit Wahrheit. Man hat recht. Die eigene Meinung stimmt angeblich. Nur ist eine Besonderheit der Meinung, dass sie NIE wahr ist.

Eine Meinung kann definitionsgemäß nicht wahr sein. Denn wäre sie wahr, wäre sie die Wahrheit und damit keine Meinung mehr. So kann es natürlich vorkommen, dass sich eine der Meinungen als wahr herausstellt, dass sie bewiesen wird. Aber genau in diesem Moment ist es keine Meinung mehr, sondern halt die Wahrheit. Was mit ein schließt, dass die anderen Meinungen zu dem Thema, die vorher noch gleichberechtigt mit der nun wahren Aussage existierten, überflüssig sind und verworfen werden müssen.

Daran kann man sehen, wie extrem die Auswirkungen sind, wenn man die Worte nicht richtig verwendet. Wenn man eine offensichtliche Meinung (und zu vielen Dingen existieren gar keine endgültigen wahren Aussagen) als Wahrheit setzt, ist man nicht nur unangenehmer Mensch, sondern sagt aus, dass die Meinungen der anderen (also die potenziellen Antithesen) überflüssig wären. Ohne zu beweisen, dass diese Aussagen falsch sind, aberkennt man der Aussage des anderen ihre Gültigkeit.

Das ist natürlich ein zutiefst bedrückender Zustand. Der eine Aushandlung der Probleme unmöglich macht. Ein Werk der Reaktion.