Corruptio et idiocy – Ode an die Ignoranz – Sinfonie in Am – op. 666

Dieses Jahr ist meine Stadt, in der ich lebe und aufgewachsen bin, angeblich „Kulturhauptstadt Europas“. Eine Aktion, die offensichtlich zur Demütigung der lokalen Kultur gedacht ist.

Weil mir das so Spaß macht und mit unserem Haus und „Undead Chemnitz“ eine der wichtigsten Kultureinrichtungen der Stadt verschwinden wird. Habe ich mir überlegt, eine Sinfonie zu schreiben. Ich wollte sie „Corruptio et idiocy – Ode an die Ignoranz – Sinfonie in Am – op. 666“ nennen und sie, auch wenn ich sowas normalerweise nie machen würde, meiner Stadt widmen.

Leider kann ich keine Noten, aber ich habe Unmengen Lieder in meinem Leben geschrieben, aus denen ich schöpfen kann. Dank Musescore, einem Open Source Notationsprogramm, kann ich aber Gitarrentabulatoren nutzen (das sind gewissermaßen die Noten für die Gitarre) und die kann ich richtig gut. Die kann ich vom Blatt spielen. Musescore ist ein wunderbares Beispiel wie Open-Source-Software funktionieren kann. Ein extrem dynamisches Projekt, das fast wöchentlich Updates bekommt. Die Herausforderung ist ja dort nicht so sehr das Programm an sich (da waren auf jeden Fall fähige Leute am Werke) sondern die vielen, vielen Sonder- und Unterbedingungen die 2000 Jahre Musiknotation so mit sich bringen. Jedes Instrument und viele Regionen haben eigene Regeln.

Das geht nur zusammen. Musescore hat eine aktive Community aus Komponisten, Musikerinnen, Arrangeuren und Softwareentwicklern. Ist also das Gegenteil von „Kulturhauptstadt Europas Chemnitz“

Ode an die Grösse des menschlichen Geistes

Gestern war es mir wieder einmal möglich, einem Sinfoniekonzert beizuwohnen. Ich habe das Glück, in derselben Stadt wie die Robert-Schumann-Philharmonie zu leben. Ein großes Privileg.

Die haben mein Leben gerettet. In der Coronazeit, wo es weder möglich war, Musik zuspielen, noch welche live zu erleben, habe ich wie die meisten anderen darunter sehr gelitten. Als dann unter gewissen Auflagen kurz möglich war, ein Sinfoniekonzert zu besuchen, habe ich das halt gemacht. Das war Schostakowitsch. Ich habe den Mund nicht mehr zugekriegt und bin danach aufgesprungen.

Vielleicht, weil ich so was noch nie gehört hatte oder ich so ausgehungert war, aber es hat mich umgehauen. So viel brutale Macht und Tiefe ich konnte das selbe fühlen wie bei einem guten, richtig guten Rock’n’Roll Konzert. Man muss sich darauf einlassen, die Reise annehmen.

Gestern war Prokofjev neben Tschaikowski, Schostakowitsch, Strawinski das absolut Beste in diesem métier. (na kommt Rassisten ihr werdet doch bestimmt ganz wuschig bei so vielen nicht-germanischen Namen, stimmts?) Es wurde seine 5, Sinfonie in B-Dur gespielt. Dur ist für Prokofjevs Sinfonien ungewöhnlich zu positiv. Dieses Werk wurde 1944 am Ende des Krieges geschrieben und 1945 in Moskau uraufgeführt. Es heißt dass während des Konzertes noch die Ateliergeschütze zu hören waren. Aber es war klar, dass die Rote Armee die Faschisten besiegt hatte.

Deswegen ist es eines von Prokofjevs positivsten, optimistischsten Werke. Er selbst sagt: Ich wollte [..] den freien und glücklichen Menschen besingen, seine gewaltige Kraft.

Sinfonie von der Größe des menschlichen Geistes – Sergei Prokofiev (1891-1953)Symphony No. 5 in B-flat major, Op. 100 – Leningrad Philharmonic Orchestra Royal Albert Hall, London
September 10, 1971