2. Kapitel Radikale Aufklärung Eine Welt der offenen Quellen von A.E. Freier

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Commons und das Kapital

Einer der Hauptunterschiede der bürgerlichen Epoche zu allen voran gegangenen ist das Kapital. Das meint den Privatbesitz gemeinschaftlicher Güter und Ideen. Produktionsmittel, Boden, Patente, unter Umständen auch Menschen als Arbeitskraft gehören einzelnen privaten Personen, die damit eigene, private Interessen verfolgen. Es entsteht die Klasse der Kapitalisten, und man nennt diese Gesellschaftsform deswegen auch Kapitalismus. Die liberale Idee dahinter ist, dass es so zu einem permanenten Konkurrenzkampf der Einzelinteressen und Egoismen kommt, die dann am Ende doch für alle Gutes und Richtiges schaffen.

Ist es in einer idealisierten, romantischen Welt eines Adam Smith, vielleicht noch möglich so zu denken, da dort alle dieselbe Ausgangslage haben, wird in der realen Welt schnell sichtbar, dass es zur Akkumulation des Kapitals kommt. Die Voraussetzungen sind keineswegs gleich. Dort, wo sich das Kapital befindet, wird sich mehr Kapital sammeln. Es entstehen zentralistische Strukturen, Monopole, Imperien, Eliten. Der Kapitalismus kippt in den Imperialismus. Die gesellschaftliche Gewalt wird privatisiert und die anderen Ziele der bürgerlichen Revolution wie Gleichheit oder Demokratie können so nicht entstehen oder bestehen und werden unmöglich. Die bürgerliche Gesellschaft schafft sich selbst ab.

Das ist, wie wir spätestens seit Rosa Luxemburg (2) wissen, keine traurige Perversion, die man bekämpfen kann, sondern die Akkumulation des Kapitals und Zentralisierung der Macht ist auf Privatbesitz beruhenden Gesellschaften immanent und geschieht zwangsläufig.

Extreme Auswüchse kann man in den spätbürgerlichen Gesellschaften der letzten Jahrzehnte beobachten. Unter dem in den 1940ern entwickelten Begriff des Neoliberalismus wird gewissermaßen alles privatisiert. Gedanken, Gefühle, kommunale Infrastruktur, Politik und Politiker, Krieg und Frieden. Mit dem Aufkommen der Digitalisierung und deren vollständigen Privatisierung gibt es heute keinen Ort mehr, der nicht anderen gehört, der uns nicht vollständig entfremdet ist.

Auf der anderen Seite gibt es die sogenannten Commons, ein etwas schwammiger Begriff (der sich leider auch schlecht ins Deutsche übersetzten lässt, da höchstens “Allgemeingut” infrage käme, was sich aber nur auf Güter bezieht). Commons bezeichnet “das, was allen gehört”. Ein klassisches Beispiel ist die Landschaft. Landschaft gehört immer allen, denn selbst wenn das Land einem bestimmten Menschen gehört, gehört doch die Landschaft immer dem, der sie betrachtet.

In unserer neoliberal geprägten Welt werden, nach und nach alle Commons privatisiert und damit per definitionem gestohlen. Eins der extremen Beispiele ist z.B. das Betriebssystem. Das Betriebssystem, also die Software, die einen Computer benutzbar macht, ist eine der großen Leistungen der Menschheit, keine Firma und schon gar nicht eine einzelne Person, hat dies geschaffen oder darf das verkaufen.

Bekanntlich wird das aber gemacht, genau wie viele andere, durch die Menschheit geschaffene Produkte, Gedanken, Wissen dreist an die Menschen zurückverkauft werden, obwohl es ihnen längst gehört.

So traurig wie die Situation im Moment aussieht, so offen zeigt es aber auch, wie wir dies überwinden können. Wir müssen es schaffen, das Kapital zurück oder das erste Mal in Commons zu übertragen. Diese Idee ist nicht neu, “Produktionsmittel in die Hand der Arbeiter.” “Die Häuser, gehören denen, die darin wohnen.” usw. Das geht nur mit Gewalt. Doch die Digitalisierung öffnet uns eine völlig neue Möglichkeit. Die Digitalisierung eröffnet uns einen Weg, die Werte der Gesellschaft und die Teilhabe daran zurück oder erstmals in die Hände derer zu legen, die die Gesellschaft sind – wir, die Menschen.

Die Idee dazu, und die ist einfach und radikal, kommt aus der Softwareentwicklung. Es ist die Idee der offenen Quellen, der open sources!

(2) Rosa Luxemburg – Die Akkumulation des Kapitals. Ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus. Buchhandlung Vorwärts Paul Singer, Berlin 1913


1. Kapitel Radikale Aufklärung Eine Welt der offenen Quellen von A.E. Freier

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Das Ende der Aufklärung?

Im 19. und 20. Jahrhundert glaubte man im Allgemeinen, dass sich der Verlauf der Welt und die Geschicke der menschlichen Gesellschaften historisch entwickeln. Das heißt, man nahm an, dass es immer eine Progression gibt und dass sich alles ständig zum Besseren entwickelt. Noch in den spätbürgerlichen Staaten nach dem 2. Weltkrieg wurde davon ausgegangen, dass die nächste Generation es einmal leichter haben wird. Die Kinder sollten es mal besser haben.

Ausgelöst wurde dieser Gedanke zum einen durch den enormen Erkenntnisgewinn durch die immer versierter werdenden Wissenschaften. (Zu nennen ist in diesem Zusammenhang sicher Charles Darwin und seine Entdeckung in Bezug auf die Entstehung der Arten). Sowie die, durch Hegel und später Marx, populär werdende historische Betrachtung in den Geisteswissenschaften.

Wissen, Ethik und Politik entwickelten sich demnach nicht durch göttliche Fügung oder die erleuchteten Geistesblitze weniger begnadeter Auserwählter, sondern durch eine gemeinsame Leistung der Menschheit. Wissen und Erfahrung wurden über Generationen und Generationen weiter gegeben, hinterfragt, auf Irrwege geführt und von Irrwegen befreit. Der Gedanke war positiv. Auch wenn sich diese Entwicklung keineswegs linear vollzog, schien es doch Gesetz zu sein und man konnte eine ständige Vervollkommnung der Menschen und der menschlichen Gesellschaften erwarten.

Der immer rasantere Aufstieg der Industrialisierung, und die damit einhergehende Beschleunigung der Kenntnisse der Physik, konnten offensichtlich wahre Wunder bewirken. Immer mehr schwere und unangenehme Arbeiten wurden von Maschinen erledigt, elektrischer Strom, sich selbst antreibende Fahrzeuge, Übertragung von Informationen, Bild und Ton über 1000e Kilometer kündeten von einer glorreichen Zukunft.

Doch all dies blieb nicht unwidersprochen. Wenn alles deterministisch, empirisch und berechenbar darzustellen ist, dann gibt es keinen Gott. Religionen lehnen naturgemäß eine historische Sicht auf die Welt ab, da sie meist davon ausgehen, dass es einen ersten Beweger, einen Erschaffer der Welt gibt oder doch zumindest alles in einem Zyklus, einem Kreislauf geschieht. Veränderungen können aus dieser Sicht nur Oberflächlichkeiten und Nebensächlichkeiten sein, da am Ende doch alles wieder in dem Einen, in dem Ursprung aufgeht.

Auch gab es (und gibt es) reaktionäre Kräfte. Diese lehnen eine Progression ab, vornehmlich schlicht aus persönlichen Gründen, da diese mit Verlust von Macht, Besitzt, erblichen Adelsrechten oder Ähnlichem einhergeht. Oder sie wollen glauben, dass bestimmte Gruppen (ihre eigene) uralte Rechte auf bestimmten Boden oder gleich auf die Existenz im Allgemeinen haben.

Die Aufklärung, die Grundlage jeder bürgerlichen Gesellschaft (und in der auch andere Gesellschaftsmodelle wie der Kommunismus ihre Basis haben), ist im Kern eine zutiefst historische und materialistische Begebenheit. Im 19. und 20. Jahrhundert schienen die Aufklärung und die Französische Revolution unumkehrbare Ereignisse zu sein. Doch im 21. Jahrhundert bröckeln die Gewissheiten.

Die Progression scheint kein Heilsversprechen mehr zu sein. Umweltzerstörung und rasante Zunahme der Ungleichheit, fatale Armut, Hungertod und Migration sind unabänderbare Konstanten der aktuellen Weltgemeinschaft. Günther Anders Warnung(1), dass die Menschheit von der eigenen technischen Revolution überholt wird, ist schon lange kein bizarrer Plot für billige Science-Fiction-Romane mehr.

Durch Spezialisierung und Expertentum ist die Digitalisierung, die binnen kürzester Zeit das Leben aller Menschen verändert hat (ich denke man macht keinen Fehler, wenn man den Beginn der Digitalisierung auf das Jahr 2000 mit der Gründung von Google legt) zu einem für das einzelne Individuum undurchschaubaren mythischen Monster geworden.

Die Digitalisierung, die zu 100 Prozent aus empirischen, rationalen mathematischen Berechnungen besteht, scheint ein Göttergötze geworden zu sein. Willkürlich, unberechenbar(!) und grausam. Doch wenn sie doch nur Menschenwerk ist, wenn sie eben berechenbar ist, kann sie dann nicht die Rettung der großen Gedanken der Aufklärung sein. Vielleicht gibt es doch “Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit”? Vielleicht wendet sich doch alles zum Besten?

(1) Günther Anders Die Antiquiertheit des Menschen. Band I: Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution. C. H. Beck, München 1956

Radikale Aufklärung – eine Welt der offenen Quellen (Einleitung)

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Wir schreiben das Jahr 20XX. Die Menschen tragen kleine Hochleistungscomputer an ihren Körpern, welche mit Sensoren, Bildschirmen und Soundeffekten direkt an ihre Sinnesorgane und das Gehirn angeschlossen sind. Gekoppelt sind diese Hirnschnittstellen an ein Netzwerk, welches von einem Konglomerat riesiger Techfirmen betrieben, überwacht und manipuliert wird. Gemeinsam mit dem Militär, den Strafbehörden und einer korrupten Führungselite der einzelnen Regionen, werden alle Gedanken, Ereignisse, Gespräche und Bewegungen der Menschen aufgezeichnet, analysiert, manipuliert und wieder gegen sie verwendet.

Mächtige neuronale Netze erstellen haargenaue Profile jedes Einzelnen, welche dann ebenso mächtigen Algorithmen übergeben werden und die Menschen dahin leiten, wo es vorgesehen ist. Krieg, Armut, Seuchen erscheinen den Individuen als eigene Wahl oder doch zumindest als unabwendbares Schicksal, welches von einem großen, dunklen, unbekanntem Ding gnadenlos erzwungen wird. Ein Großteil der Bevölkerung hat sich dem Algorithmus und seinen Herren vollständig ergeben, verteidigt seine Macht, spricht seine Sprache und salutiert ca. alle 40s in dem es die Schnittstelle mit dem Kopf verbindet.

Die im vorigen Jahrhundert noch so mächtige Zivilgesellschaft hat sich praktisch aufgelöst. Presse, Journalisten und Intellektuelle (ebenfalls vor nicht allzu langer Zeit wichtige Stützpfeiler einer freien Gesellschaft) unterwerfen sich offen Kampagnen. Die Suche der Wahrheit gilt als falsch und destruktiv. Die Suche nach der Wahrheit muss unterbunden werden. Ab und an gab es Einzelne, die die neue Logik offenlegten und zeigen, dass es sich doch nur um Menschenwerk handelt und dass man es ändern kann. All diese Einzelnen sind nun im Gefängnis auf der Flucht oder im Wahnsinn. All diese Einzelnen wurden vor der Öffentlichkeit quasi hingerichtet.

Die Machtzentren werden immer kleiner, aber immer mächtiger. 1% der Weltbevölkerung besitzt alles. Der Rest bekommt Almosen. Doch meist nicht mal das. 9 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Hunger, während anderen täglich das millionenfache eines durchschnittlichen Arbeitergehalts zu Verfügung steht. Unter den besitzlosen 99% tobt ein gnadenloser Überlebenskampf, der hauptsächlich durch Hass und Verachtung geprägt ist. Politisches Denken und Handeln ist einem nutzlosen, für die Herrschenden ungefährlichen, Ringen um Trivialitäten gewichen. Vorlieben beim Konsum oder Spitzfindigkeiten in der Alltagssprache schaffen unversöhnliche Lager, die niemals aufhören können, gegeneinander zu kämpfen. Und sie kämpfen um NICHTS, um gar nichts.

Eine schreckliche Dystopie, oder? Wie konnte es so weit kommen? Wie konnten wir uns von den Idealen der Aufklärung so weit entfernen? Und können wir was dagegen tun?

Ja können wir

Radikale Aufklärung – eine Welt der offenen Quellen

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Essay – Radikale Aufklärung – eine Welt der offenen Quellen

Ich starte mal ein neues Projekt. Soll eine längere Sammlung von Essays werden unter dem Namen “Radikale Aufklärung” – hab dafür einen eigenen Blog aufgesetzt, dem man hier folgen kann: word.undeadnetwork.de oder natürlich auch abonnieren im föderierten Internet unter der Adresse @freier@word.undeadnetwork.de