7.Kapitel Radikale Aufklärung – Forken der Ethik

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Forken der Ethik

Wie wäre nun in einer quelloffenen, digitalen Welt eine ethische und damit wissenschaftliche Neuverhandlung eines (Welt)Gesellschaftsvertrages denkbar?

Die Dialektik lehrt uns, dass es nicht die eine transzendente Wahrheit a priori gibt. Eine Zivilisation und die einzelnen Individuen sind geprägt von Ambivalenzen und sich widerstrebenden Erfahrungen, Voraussetzungen und Kausalitäten. Sie sind geprägt von Wahrheiten, die sich gegenseitig ausschließen. Um dieses Paradoxon zu lösen, hat die Menschheit in der klassischen Antike, wie oben gezeigt, die Ethik als ein rationales Instrument geschaffen, um diese Widersprüche immer wieder zu verhandeln.

In der quelloffen Softwareentwicklung (und nur da) gibt es einen Prozess des forkens. Einen Fork erstellen bedeutet eine Abspaltung eines Programmes zu machen. Ein an sich simpler und langweiliger Prozess in der Versionskontrolle, der sicherstellen soll, dass an einem identischen Grundprogramm in verschiedene, unabhängige Richtungen weiter gearbeitet werden kann.

So ist es jedem Menschen völlig frei möglich, ein beliebiges Open-Source-Programm zu kopieren und nach eigenem Vermögen und Interessen weiterzuentwickeln. Durch den sogenannten Fork kann man nicht nur das Wissen nutzen, was bis dahin in das Originalprogramm eingeflossen ist, sondern auch zukünftige Änderungen und Verbesserungen des Originalprogramms in sein eigenes Projekt übernehmen. Auch entsteht ein Rückkopplungsprozess, der wiederum Innovationen der Abspaltungen in das Ursprungsprogramm integrieren kann.

So wäre es denkbar, dass ein Programm zur Steuerung von Glühbirnen in einer Abspaltung zur Ansteuerung von Elektromotoren dient und Forks dieses Programmes könnten wiederum in der Robotik oder bei dem Betrieb von Staudämmen eingesetzt werden usw.

Dieser auf den ersten Blick technische Vorgang ist bei genauerer Betrachtung eine äußerst komplexe und als Prozess höchst effektive Art der Kommunikation. Eine Art Kommunikation, die im historischen Ablauf der Menschheitsgeschichte eine immense Rolle spielt und durch die Digitalisierung und die Erkenntnisse im Umgang mit den offenen Quellen enorme Kraft besitzt.

So ist das Prinzip des Forks aus der quelloffene Softwareentwicklung ein effizientes, dokumentierendes und wissenschaftliches Instrument zur Abbildung dieses Kommunikationsprozesses. Verbunden mit der Digitalisierung findet diese Kommunikation in Echtzeit statt und ermöglicht so eine permanente Neuverhandlung, Änderung und Neuanpassung ohne auf die etablierten und bereits verhandelten Merkmale zu verzichten.

Um dieses mächtige Instrument zur Verhandlung einer zukünftigen Ethik zu etablieren, bedarf es einer Struktur, die vollkommen frei ist. Nimmt man die Dialektik ernst, ist es unmöglich, einen solchen Prozess widerspruchsfrei und ohne Konflikte auszuführen. Auch Fehleinschätzungen und Irrwege sind Teil der menschlichen Natur. Fehler und Konflikte müssen also möglich und akzeptiert sein, ohne dabei das eigentliche Verfahren zu gefährden.

Mit den oben erwähnten Grundsätzen der Open-Source-Bewegung und dem Instrument der Forks und Abspaltungen im digitalen Raum stehen uns bereits mächtige Werkzeuge zur Verfügung, um diese Verhandlung der Ethik zu meistern.

Kontakt: riot@undead-chemnitz.de

5. Kapitel Radikale Aufklärung – Die Dialektik der Freiheit

Radikale Aufklärung

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Die Dialektik der Freiheit

Wenn die Freiheit also unser höchstes Gut ist und wir nicht auf sie verzichten können ohne unser Dasein als Mensch aufzugeben, wie gehen wir dann mit ihr um? Freiheit bedeutet auch Gefahr.

Das ist die verwirrende Ambivalenz, die der Freiheit innewohnt. Wenn wir die Freiheit nicht beschneiden können, ohne sie zu verlieren, aber als Menschen auch nicht ohne Vertrag leben können, der das Recht des Stärkeren in seine Schranken weist und Willkür und Selbstjustiz verhindert, was können wir dann also tun, um dieses Paradoxon der Freiheit zu lösen?

Seit Aristoteles gibt es dazu eine rationale, wissenschaftliche Methode, um als Menschheit weder in Unmündigkeit noch in Willkür zu leben. Die Ethik. Im Gegensatz zur Moral, die ihre eigene Negation ist und als Unmoral den Zustand des Anderen, Verachtenswerten beschreibt, ist Ethik die wissenschaftliche Beschäftigung mit Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen.

Schon die vorsokratischen Sophisten sahen es als untragbar an, dass der Mensch als Vernunftwesen und mit freiem Willen ausgestattet, sich lediglich von Traditionen, Konventionen und Regelwerken leiten lässt.

Aristoteles erhebt dies in den Stand einer Wissenschaft, die uns erlaubt, rational, empirisch einen Gesellschaftsvertrag zu entwickeln und immer wieder zu verhandeln. Die Ethik setzt den Menschen als grundsätzlich vernunftbegabt und reflexionsfähig voraus. Wäre er das nicht, hätte er nie den Bereich der naiven Sensualität und Mystik verlassen können und wäre, wie ein Tier, lediglich seinen Trieben und Instinkten ausgeliefert.

Die Basis der Ethik bildet die Tugend. Im Gegensatz zu Offenbarungen und zu Despotien gibt es keine transzendenten, vor der menschlichen Vernunft festgelegten Regeln. Moses 10 Gebote, von Gott erhalten, widersprechen jeder Wissenschaft und sind unethisch. Nicht im Inhalt, denn den gilt es zu verhandeln, sondern in ihrer gottgegebenen Unumstößlichkeit.

Die Verfassungen, die wir heute als Grundlage einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft erwarten, sind alle nicht von Gottes Gnaden oder durch den Geistesblitz eines einzelnen Menschen entstanden. Sondern in einem historischen Prozess erkämpft und verhandelt worden. Unser Zusammenleben ist ein Resultat dieses ethischen Prozesses.

Doch was bedeutet das für eine im Umbruch begriffene, globalisierte, digitalisierte Welt. Eine Welt, in der Nationalstaaten keine Rolle mehr spielen (auch wenn sich alle panisch daran klammern), in der Sprachbarrieren wegfallen und eine permanente Echtzeitkommunikation stattfindet?

Was man klar sagen kann ist, dass sich eine radikale Änderung vollzieht. Dass die alten Regeln, Gesetze und Verfassungen, dass der alte Gesellschaftsvertrag neu verhandelt werden muss. Ethik ist also die Wissenschaft der Stunde!

Bereits die Marxisten im 19. Jahrhundert haben versucht, eine Weltethik zu erschaffen. Sie nannten das Internationalismus, ein Wort, was Nationalismus schon im Namen trägt. Die Situation im 21. Jahrhundert ist eine andere, willkürliche Grenzen lösen sich auf, eine echte Weltgemeinschaft entsteht.

Und um das zu meistern, um eine Weltethik zu entwickeln, benötigen wir Werkzeuge, die uns das ermöglichen. Diese müssen, ganz im marxschen Sinne, Werkzeuge der Selbstermächtigung sein. Digitale Strukturen dürfen nicht in den Händen Einzelner oder Firmen oder Nationen liegen. Die Struktur muss frei sein.

Dass eine ethische Grundlage der Digitalisierung geschaffen werden muss, war klugen, vernunftbegabten Menschen schon von Anfang an klar. Die Basis des Informationszeitalters und des digitalen Wandels beruht auf Software. Neben den heute noch dominierenden proprietären Systemen und Programmen entstand schon früh die Open-Source-Software. Eine Software, die niemandem gehört, die von allen weiter entwickelt werden kann und die, die volle Freiheit garantiert und perfekt geeignet ist als ethisches Werkzeug einer neuen Gesellschaft.

Open-Source-Software ist also kein technisches Phänomen, sondern ein ethisch, politisches. Eine Struktur für unsere Zukunft.

Ich muss “Der Weg nach vorn” B.Gates (1995) echt erst mal weglegen

.. paar kluge Stellen aber das meiste ist Selbstlob der üblen Sorte. Was für großartige, nette Genies dort bei Microsoft. Noch nie ner Fliege was zuleide getan. Was könn die denn dafür, dass alle anderen dumm sind? Apple? Immer dicke Freunde. Big Love! Aber halt zu dumm. IBM was für liebe, gute reaktionäre Arschgeigen. Big Love! Hätte was werden können, aber halt zu dumm. Open Software Foundation? UNIX? Von Anfang an zu dumm und zum Scheitern verurteilt.

Ich muss erst mal paar Marxisten lesen. Das Schöne an Antiquariat Büchern ist ja, dass man kleine Schätze findet. Wie dieser interne Brief des Dietz Verlages (DDR). Durfte auch im reaktionär-faschistischen Ausland gelesen werden. Waren die gar nicht so 😉 … Helmut Seidel ist wirklich großartig und so bescheiden.