Ich arbeite seit 20 Jahren als internationaler Künstler und Musiker. Ich bin sehr stolz, mit so vielen tollen Menschen auf der Welt zusammenzuarbeiten zu können. Es war immer geprägt von Respekt und Liebe zu dem, was wir tun. Eine große weltweite Familie. Ich habe Platten in den USA, Japan, Russland und vielen anderen Ländern veröffentlicht. Es hat nie eine Rolle gespielt, wo wer genau herkommt, es ging immer darum gemeinsam was zu schaffen. Etwas, was größer ist als wir allein.
Ich lebe auch schon immer in Chemnitz. Ich bin hier geboren und es ist meine Heimat. Seit ich denken kann, muss ich mich auch mit unterkomplexen Verallgemeinerungen und Vorurteilen auseinandersetzten. Mich hat das nie gestört. Ich habe einfach die Leute ignoriert, die es nicht schaffen, mich an meinen Taten zu messen, sondern danach wo mein Haus steht.
Ich habe mich trotzdem anfänglich sehr gefreut, dass „meine“ Stadt zur Kulturhauptstadt Europas erkoren wurde. Jeder weiß, dass es sich dabei nicht um ein Verdienst handelt, sondern der fatalen Situation geschuldet ist. Es begann also mit Vorurteilen und man hätte ahnen können, dass das nicht gut geht.
Seit es Chemnitz auf das Titelblatt der NY Times geschafft hat, kreisen Think Tanks und Propagandisten um die Stadt. Niemand von denen hat sich jemals mit den Menschen hier auseinandergesetzt. Auch nicht mit der sehr starken Zivilgesellschaft und schon gar nicht mit den Kulturschaffenden und Künstlern. Da müsste man ja die geliebte Selbstüberhöhung aufgeben.
Anfänglich hat sich die gesamte Kulturgesellschaft der Stadt sehr stark engagiert. Es gab viele Treffen, Diskussionsforen und Synergien. Mehr und mehr wurde klar, dass es hier überhaupt nicht um die Menschen hier geht, dass sich da lediglich ein Mob aus Beamten, Berufsmoralisten und wandernden, werklosen Schmarotzern sammelt, die mit offenem Ekel auf die Menschen hier blicken.
Bis heute ist nichts passiert. Es gibt keinen Kontakt weder zur Hochkultur, noch zur Soziokultur und schon gar nicht zu den freien Künstlern. Arroganz und Überheblichkeit prägen den Prozess. Es werden Posten geschachert, Bauaufträge zugespielt und selbstherrliche Bankette abgehalten. Nicht mal die weltweit renommierte „Robert Schumann Philharmonie“ (die ich übrigens sehr schätze, die können auch Schostakowitsch an einem Mittwochabend, was ich als großes Privileg empfinde) hat Teil an dem Prozess.
In 2 Jahren soll dieses Event stattfinden. Wie es aussieht, wird es ohne Chemnitzer stattfinden. Die destruktiven Kräfte der Stadt machen da gegen mobil. Und sie haben leichtes Spiel, weil sie ja am Ende recht haben. Es wird wieder in Beleidigung und Ignoranz enden. Es ist eine weitere große Chance, die aus den Händen gegeben wird. Ich hatte nie im Traum daran gedacht, diese Stadt einmal zu verlassen und werde es auch jetzt nicht tun aber ich war nie näher dran. Wie traurig.