Die Bedeutung von Worten und Zeichen

Wir leben ja bekanntlich in schnellen Zeiten. Dank Internet und den Sozialen Netzwerken werden die meisten Sachverhalte auf eine extrem verkürzte Weise dargestellt. Man denke nur an Twitter und seine 140 Zeichen oder das beliebte Teilen von Zeitungsartikeln, wo am Ende nur die Überschrift und das Symbolbild zählt. Nun war das schon immer so. Jede Propaganda, jede Politik oder Religion oder auch Kunst bedient sich dieser Verkürzung (oder wisst ihr was Konkretes über Martin Luther King, außer dass er einen Traum hatte?). Das ist grundsätzlich ja nicht schlimm.

Kompliziert wird es erst, wenn Ideologien gegeneinander kämpfen und direkt das Leben oder die Reputation von Menschen betroffen sind. Dann spielt die Definition der Begriffe und Zeichen eine außergewöhnlich große Rolle. Worte, auch wenn sie gleich geschrieben oder ausgesprochen werden, haben ja keineswegs die gleiche Bedeutung. Hilary Putnam nennt diese Verschiedenheit der Bedeutungen „mentale Repräsentation“. Ihr Beispiel dafür ist, unter anderem, das Wort Pflanze. Wenn man in einem 200 Jahre alten Roman das Wort Pflanze liest, ist mentale Repräsentation dieses Wortes vielleicht eine völlig andere als heute. Wir denken bei Pflanze vielleicht an Chlorophyll, Fotosynthese oder die Fähigkeit CO₂ einzulagern, vor 200 Jahren wäre es absurd gewesen so zudenken, da weder die Vorgänge noch die entsprechenden Worte bekannt waren und auch keine Rolle spielten. Man kann also einen 200 Jahre alten Roman nicht verstehen, wenn man die heutige „mentale Repräsentation“ anwendet (das macht ja unter anderem diese zeitgenössische Bilder- und Bücherstürmerei so absurd, wenn man vergangenen Werken Rassismus oder Frauenfeindlichkeit unterstellt, offensichtlich ohne die Bedeutung der Worte und Zeichen zu verstehen).

In unserer Zeit wird wieder viel Ideologie und Propaganda betrieben. Nehmen wir z.B. das Wort Antifaschismus. Ich denk, die meisten Menschen haben eine Vorstellung von dem Wort und zählen sich auch selber zu den Antifaschisten (denn wer will schon Faschist sein). Nun kann aber die Repräsentation des Wortes Faschist extrem unterschiedlich sein. Für den einen ist es jemand, der Hitler verehrt und braune Hemden mit Hakenkreuzen trägt, für andere ist es jemand, der einer rechtspopulistischen Partei anhängt oder jemand, der sich nicht unter staatliche Maßnahmen unterordnen will oder jemand, der sich unbedingt unter staatliche Maßnahmen unterordnen will u.s.w. Diese Bedeutung bestimmt, wogegen man denn dann so „Anti“ ist. Diese Verschiedenheit der Repräsentation kann so eine Situation erzeugen, wie wir sie heute deutlich sehen. Wo eigentlich alle Antifaschisten sind, den jeweils anderen als Faschist bezeichnen. Da die Grundlage ungeklärt ist, haben dann bizarrer Weise beide Parteien recht b.z.w. liegen beide Parteien falsch. Eine Diskussion ist so nicht möglich und endet in Geschrei und Gezeter. Ich denk, ihr wisst, was ich meine.

Dasselbe gilt für ein anderes Reizwort unserer Zeit „Antisemitismus“. Für die einen bezeichnet es das Leugnen des Holocausts und das Befürworten von Todeslagern, für andere kann es schon alleine die Kritik an der Politik des Staates Israel bedeuten. Dann kann es zu so krassen Situationen kommen, dass Achille Mbembe mit dem Vorwurf des Antisemitismus aus dem Archiv der Bundeszentrale für politische Bildung entfernt wird. Er setzt sich vehement für die Belange der Palästinenser ein und bezeichnet seinerseits solches Vorgehen wie das der BpB als kolonialen Rassismus (diese mentale Repräsentation teile ich z.B.) Nun ist weder Mbembe Antisemit noch wird es viele Rassisten bei der BpB geben, aber das Klima ist vergiftet und die echten Arschlöcher freuen sich darüber. Die kennen nämlich die Bedeutung von Worten und Zeichen … und deswegen ist es so wichtig die auch zu kennen!!!