Materialismus vs. Idealismus

Der Kampf zwischen Materialismus und Idealismus ist so alt wie die denkende Menschheit selber. Wie so oft geht das Benennen dieser Unterscheidung auf die Alten Griechen zurück (also in unserem Kulturraum natürlich nur). Und auch heute sieht man diesen unendlichen Kampf wieder in voller Größe auflodern. Oft erkennt man diese Verwerfung an den einfachen Gut/Böse, Schwarz/Weiß Unterscheidungen.

Um sich der Sache überhaupt zu nähern, muss man erst mal die Begriffe klären und unterscheiden zwischen der vulgären, alltäglichen Bedeutung die diese Begriffe oft haben und der Bedeutung die sie innerhalb des Denkens der Menschheit haben. Umgangssprachlich (und das setzt eine auf Besitz beruhende Welt also Kapitalismus voraus) ist doch ein Materialist jemand, der sich über Einkaufen oder Besitz definiert und ein Idealist jemand, der einem Ideal folgt und dem Besitz in diesem Zusammenhang nicht so wichtig erscheint. Aus historischer, philosophischer Sicht ist das falsch bzw. sehr verkürzt.

Im Denken ist Idealismus etwas, was davon ausgeht, dass hinter jedem Ding eine Idee steht. Das die Idee vor der Materie da war. Das ist leicht zu verstehen, betrachtet man ein Werkzeug. Ein Hammer kann sich leicht als Idee vorgestellt werden, die dann in Materie umgesetzt wurde, also jemand hatte die Idee zu einem Hammer und hat den dann gebaut. Schwieriger wird es schon, wenn man das von einem Stein sagt. Es soll also schon vor der Entstehung des Steins die Idee da gewesen sein und erst dann entstand er oder noch komplizierter, der Mensch, ich als Individuum. Gab es wirklich schon eine Idee von mir bevor ich entstanden bin? Da kommt man unweigerlich zu Gott und in einen nicht mehr durchschaubaren Irrationalismus.

Also liegt der Materialismus näher? Materialismus sagt nun, erst ist die Materie und nur durch das Zusammenspiel der empirisch nachweisbaren Dinge in der Welt entsteht etwas. Also die Evolution ist Materialismus, es gibt keine Idee, der Zufall ist am Werke und schafft Neues. Das klingt jetzt für mich erst mal viel einleuchtender. Allerdings werden wir sehen, dass auch der Materialismus, zu Ende gedacht, an seine Grenzen kommt. Trotzdem würde ich sagen, dass vor allem die Hochform (ausgehend von Hegel) der dialektische bzw. historische Materialismus unsere Gesellschaft viel genauer beschreibt, als ein diffuser unempirischer Idealismus der aufgrund seines zwangsläufigen Irrationalismus schnell ein Gefäß für jede Art von Ideologie wird (werden kann).

Ein anschauliches Beispiel ist die Geschichte oder die geschichtliche Betrachtung. Während der bürgerliche Idealismus davon ausgeht, dass große Ideen (oder große Männer (sic!) am besten noch) die Geschichte bestimmen, also Hitler hat den 2. Weltkrieg geführt oder Bonaparte den Feudalismus besiegt, geht der historische Materialismus davon aus, dass es bestimmte Grundvoraussetzungen geben muss um z.B. eine neue Gesellschaftsordnung zu schaffen oder auch um in die absolute Barbarei  zu verfallen. Das scheint mir absolut schlüssig. Das schlichte verbieten rechter Parteien oder Symbole (also der Idee des Faschismus) wird ein neuerliches Abgleiten in ähnlich Barbarismus wohl nicht vermeiden. Ähnliches kann man von der nun wieder modernen Sprachänderung sagen, ob ich nun das männliche Generikum vermeide oder Menschen mit anderen (Haut)Farben keine beleidigenden Worte sage, wird wohl an der Ungleichheit nichts ändern, aber ich bin dann höflich (und oft endet es dann dort auch). Der Ungleichheit (oder auch den Faschismen) muss in der Struktur der Boden entzogen werden.

Heute ist es Usus und guter Stil Idealist zu sein. Wer die falsche Idee hat (und sei es nur, weil ich sie nicht verstehe) fliegt raus. Es ist also nur eine Frage der Zeit bis alle rausgeflogen sind und geändert haben wird sich nichts! Gar nichts! Der historische Materialismus ist also absolut vorzuziehen. In einer Welt, wo es Superreiche gibt oder eine 1. und 3. Welt, wo Ungleichheit also immanent ist, wird auch eine Pride Week nichts aber auch nichts zur Sache tun. Oder wie Max Horkheimer klug gesagt hat „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“

So! Dann wäre doch alles schön einfach. Historischer Materialismus und alle sind zufrieden. Sowjetunion, China, DDR alles Versuche dies umzusetzen. Alle grandios gescheitert. Was ist nun an einer rein rationalen, empirischen Welt so bedrückend? Kann man den Menschen ausrechnen? Ist Gott tot? Gibt es Musik nur, weil man sich an eine mathematische Form der Harmonielehre hält? Lukacs, ein radikaler Vordenker des politischen Materialismus, geht sogar so weit das Denken und die Kunst an sich als idealistisch zu verwerfen, als Leser fragt man sich unweigerlich, wie er es wohl geschafft hat ein so durchdachtes Buch zu schreiben .. ohne zu denken. So einfach ist die Sache wohl nicht. Und da fängt alles von vorn an.